HM wirkt! Nockherberg – Lichtdesign
„Der Berg ruft“, denken sich nicht nur die GiesingerInnen, wenn mit dem Starkbieranstich am Nockherberg wieder Münchens „fünfte Jahreszeit“ eingeläutet wird. Nach einer Gesamtsanierung des Wirtshauses haben Lichtexperte und HM-Doktorand Johannes Zauner und sein Kollege Florian Zach vom Lichtplanungsbüro 3lpi lichtplaner + beratende ingenieure das neue Interieur des Wirtshauses mit einem Lichtkonzept in Szene gesetzt.
Mit Licht inszenieren: Ein Altar des Bieres
Das Ankommen im Wirtshaus wird zum Erlebnis. Architekten und Lichtplaner haben bereits am Anfang der Planungen beschlossen, die Tradition des Hauses zeitgemäß weiterzuentwickeln und das architektonische Konzept und das Lichtdesign in Einklang zu bringen.
Beim Betreten des Wirtshauses fällt der Blick auf ein Kessel- und Ausschenkensemble, das wie eine Bühne oder ein Altar des Bieres wirken. Sie inszenieren bayerische Gastronomie. Den hallenartigen und industriellen Charakter des Raums, der auch aus der Anbindung der Galerie im Obergeschoss resultiert, unterstreichen Materialien wie Kupfer, Terrazzo und Metall.
Die Lichtplaner wählten einen hohen Lichthorizont. An Stromschienen in der Decke sind die Strahler befestigt, welche die Sudkessel illuminieren und deren Kupferton mit warmweißem Licht zum Glühen bringen. Der Ausschank wird mit kleinen, entblendeten Spots erhellt, die in einen umlaufenden Lüster aus gläsernen Bierkrügen integriert sind. Die Höhe des Raumes betonen LED-Linien, die oberhalb des Bierkrug-Lüsters angebracht sind.
Durch die lichttechnische Inszenierung wollen wir schon das Ankommen zu einem Erlebnis machen. Der Gast soll sich wohl fühlen, und ihm soll sofort klar sein, dass hier Bier und Essen zelebriert werden.
– Johannes Zauner, Lichtplaner und HM-Doktorand
Das Licht führt den Blick der Gäste
Die Rotunde des Ausschanks ist durch die Beleuchtung der Fixpunkt im Gastraum. Über den Tischen laufen Lichtschienen, aus denen Pendellampen abgehängt sind. Diese erhellen die Tischplatten unterschiedlich, je nachdem, ob sie höher oder niedriger gehängt werden. Die hellen Ahorn- und die dunklen Eichenoberflächen der Tische bieten die Grundlage für zwei unterschiedliche Lichtatmosphären. Die Leuchten an den Wandpaneelen dagegen heben die Materialität der Verkleidung über das Streiflicht hervor.
Lichtplanung vereint auf einzigartige Weise Gestaltung mit Technik sowie Ingenieursaufgaben und erfordert für die besten Lösungen auch fundiertes Wissen über die Physiologie des Sehens. Es ist ein unglaublich interdisziplinäres Betätigungsfeld. Das macht es schön und spannend zugleich.
– Johannes Zauner, Lichtplaner und HM-Doktorand
Lüster mit Sternenhimmeleffekt
Beim Betreten des Wirtshauses aus Richtung des Biergartens hängt in einem zweigeschossigen Treppenhaus Zauner und Zachs neu interpretierter Kronleuchter. Dieser strahlt mit 150 Lampen eine darunterliegende, überdimensionierte Paulaner-Münze sowie die Seile des Kronleuchters an. Wichtig bei der Gestaltung des Lüsters war, dass er nicht blendet. Eine so genannte „Falschfarbendarstellung“ der Leuchtdichte zeigt, was das menschliche Auge wahrnimmt, nicht aber eine Fotokamera. Erwünschte bzw. unerwünschte Kontraste lassen sich damit zuverlässig vor der Ausführung einschätzen. Aus der Perspektive direkt unter dem Lüster erscheinen die Lichtpunkte der Spots wie ein Sternenhimmel. Selfieverdächtig!
Johannes Zauner promoviert momentan an der HM in Kooperation mit der LMU in Humanbiologie mit dem Fokus „Licht und Gesundheit“ und arbeitet im BioMedLab der HM. Als geschäftsführender Partner leitet er das Lichtplanungs- und Ingenieurbüro 3lpi.
Ralf Kastner
Schon gewusst? Nicht nur im Gastronomiebereich wirkt sich eine entsprechende Lichtgestaltung positiv auf das Wohlbefinden der Menschen aus, sondern auch am Arbeitsplatz. Dort ist bei richtigem Licht weniger Anstrengung für die Arbeitsleistung erforderlich.
Dieser Wirkungsort ist Teil des Spaziergangs Süßer Süden.
Quellen:
Schriftliches Interview mit Johannes Zauner, 27.01.2021
Licht Magazin, 1/2018
Lebenslauf Johannes Zauner
Vor-Ort-Termin mit Johannes Zauner, 18.06.2021